Akademienvorhaben | Zentrum Grundlagenforschung Alte Welt

Die alexandrinische und antiochenische Bibelexegese in der Spätantike


Das Akademienvorhaben „Die alexandrinische und antiochenische Bibelexegese in der Spätantike“ trauert um seinen Mitarbeiter

Dr. Franz Xaver Risch

(1958–2023)


Das Akademienprojekt „Die alexandrinische und antiochenische Bibelexegese in der Spätantike“ erstellt kritische Editionen von spätantiken christlichen Kommentaren und Predigten zu alttestamentlichen Texten, insbesondere zum Psalter.

 

In der ersten Projektphase liegt der Schwerpunkt auf dem Psalterkommentar des Eusebius von Caesarea und auf dem Danielkommentar des Theodoret von Cyrrhus. Diese Texte werden erstmals für moderne kritische Ausgaben bearbeitet. Neben den reinen Texteditionen in der Reihe GCS (Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte) werden weiterführende Untersuchungen in der Reihe TU (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur) vorgelegt. Das Akademienvorhaben ist Teil des „Zentrums Grundlagenforschung Alte Welt" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Das Akademienvorhaben „Die alexandrinische und antiochenische Bibelexegese in der Spätantike“ erschließt durch kritische Editionen bedeutende literarische Werke des antiken Christentums des vierten und fünften Jahrhunderts. Die ausgewählten Kommentare und Predigten legen Bücher des Alten Testaments aus, also denjenigen Teil der christlichen Heiligen Schrift, den das Christentum mit seiner Geschwisterreligion, dem Judentum, gemeinsam hat. Solche Auslegungen sind ein Zeugnis dafür, wie die antike Christenheit die Bibel im Gespräch mit anderen Religionen, der Philosophie und anderen Wissenschaften verstanden, sie auf die jeweilige Gegenwart hin interpretiert und sich selbst anhand dessen in ihrem Selbstverständnis artikuliert hat. Damit stellt das Editionsprojekt ein textkritisch gesichertes Fundament für die präzise Beschreibung des in der bisherigen Forschung weithin verzerrt dargestellten Verhältnisses von alexandrinischer und antiochenischer Exegese bereit. „Alexandrinisch“ und „antiochenisch“ bezeichnen dabei zunächst einmal nur zwei Entstehungsorte antiker Kommentierungen biblischer Texte. Ob und inwieweit damit eine strenge Unterscheidung von zwei voneinander differenten Ensembles exegetischer Techniken aus diversen paganen Traditionen verbunden ist (wie man gern annahm), wird im Rahmen des Unternehmens kritisch diskutiert. Sicher ist bereits jetzt, dass es sich bei dieser Unterscheidung immer auch um einen schon in der Spätantike aufgekommenen Versuch handelt, die eigene Originalität der Kommentierung in Konkurrenz zu fremden Angeboten deutlich zu profilieren.

Die Auslegungen in Form von Kommentar und Predigt wirkten zugleich auch als Motor der Wissensvermittlung und haben daher eine große Bedeutung für die europäische Bildungsgeschichte. Insofern wird mit dem Editionsprojekt ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes Europas gesichert und für eine breite Nutzung durch verschiedene Wissenschaftsdisziplinen erschlossen. Das Projekt weiß sich in der Tradition des 1897 durch die Berliner Altertumswissenschaftler von Harnack, Mommsen und von Wilamowitz-Moellendorff begründeten Großunternehmens „Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte“ (GCS) http://gcs.bbaw.de/ , das zum Ende des Jahres 2010 abgeschlossen wurde. Das Unternehmen wird bis 2032 sieben zentrale Werke alexandrinischer und antiochenischer Bibelexegese kritisch edieren, die bislang noch nicht kritisch ediert worden sind bzw. ediert werden und nur in unzulänglichen Ausgaben der Barockzeit bzw. ihren Nachdrucken in der Sammlung der Patrologia Graeca vorliegen.

Es handelt sich dabei um den Psalmenkommentar des Eusebius von Caesarea und um zwei Schriften des Cyrill von Alexandrien, De adoratione und Glaphyra, die der alexandrinischen Richtung zuzurechnen sind, um das Homilienwerk des Severian von Gabala und den Danielkommentar des Theodoret von Cyrrhus, die der antiochenischen Richtung zuzurechnen sind, sowie um den Commentarius magnus und De titulis von Hesychius von Jerusalem, der eher zwischen beiden Schultraditionen steht. Mit dem Projekt assoziiert werden zwei weitere wichtige Werke auf der Basis von Drittmittelfinanzierung herausgegeben, nämlich der Heptateuchkommentar Buch I-III (Genesis-, Exodus- und Leviticuskommentar) des Prokop von Gaza, in gewisser Weise der alexandrinischen Richtung zuzuordnen, und, der antiochenischen verpflichtet, die Hexaemeronhomilien des Severian von Gabala. In den wöchentlich stattfindenden Lektüresitzungen des Vorhabens, die auch für interessierte Außenstehende offen sind, stellen die Mitarbeiter Teilergebnisse ihrer Arbeit bzgl. Transkription, Textkritik und Übersetzung zur Diskussion.

 

Das Akademienvorhaben "Die alexandrinische und antiochenische Bibelexegese in der Spätantike" ist Teil des von Bund und Ländern geförderten Akademienprogramms, das der Erhaltung, Sicherung und Vergegenwärtigung unseres kulturellen Erbes dient. Koordiniert wird das Programm von der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften.